ÜLU Münnerstadt: Baggern, viel Muskelkater und Besuch vom Fernsehen
Im November hat meine erste überbetriebliche Lehrlingsunterweisung, kurz ÜLU, stattgefunden. Sie ist Teil der Ausbildung und man nimmt innerhalb der Ausbildungszeit dreimal daran teil. Die Lehrgänge haben eine Dauer von 2 Wochen und finden in Münnerstadt, in Unterfranken, statt. Dort befinden sich das BAZ (Berufsausbildungszentrum der Bestatter) und der weltweit einzige Lehrfriedhof.
Am Sonntag, dem 11.11., ging es für mich und einige andere aus meiner Klasse also los nach Münnerstadt. In dem kleinen Ort angekommen wurde erstmal das Hotel angeschaut, Koffer ausgepackt und viel erzählt. Nach dem gemeinsamen Abendessen im Hotel haben wir uns noch ein wenig in Münnerstadt umgesehen.
Am Montagmorgen stand zuerst der theoretische Unterricht für den Bereich Grabtechnik auf dem Plan. Hierbei haben wir gelernt, was beachtet werden muss beim Ausheben eines Grabes, welche Vorbereitungen getroffen werden und welche Sicherheitshinweise beachtet werden müssen. Diese Dinge würden wir dann in den nächsten zwei Tagen auch praktisch durchführen. Die Mittagspause verbrachten wir im BAZ, dort bekamen wir auch Mittagessen, bevor es mit dem Unterricht weiterging. Am Ende des ersten Tages waren wir alle sehr gespannt was uns im praktischen Unterricht erwarten wird.
Dienstag haben wir uns dann die Arbeitssachen angezogen und auf dem Friedhof angekommen ging es nach kurzer Wiederholung los: Das erste Grab wurde ausgemessen. Anschließend mussten wir dann auch den ersten Erdcontainer gemeinschaftlich aufbauen. In diesen kommt beim Ausheben des Grabes die Erde. Nachdem wir die verschiedenen Container kennengelernt und mehrfach auf- und abgebaut hatten, wurden wir in Gruppen eingeteilt. Meine Gruppe sollte sich nun mit dem Bagger beschäftigen und damit auch ein Grab ausheben. Das war wirklich eine super Erfahrung und hat trotz regnerischem, kalten Wetter viel Spaß gemacht. Die anderen Gruppen hatten zuerst den anstrengenderen Part und haben Gräber per Hand ausgehoben. Am nächsten Tag wurde natürlich getauscht, sodass auch wir unseren Muskelkater noch bekamen. Grabtechnik ist auch ein Teil der Zwischenprüfung. Kurz vorher erfährt man, ob das Grab per Hand oder mit Hilfe des Baggers ausgehoben wird.
Jetzt fragen sich einige vielleicht, warum wir das überhaupt lernen. In NRW und auch in manchen anderen Bundesländern ist es nicht üblich, dass der Bestatter diese Aufgabe übernimmt. Da gibt es Mitarbeiter des Friedhofes, die sich um alles kümmern. Aber in Bayern beispielsweise macht der Bestatter auch die Gräber. Manch einer ist vielleicht nun der Meinung, dass das mit heutiger Technik ein Kinderspiel ist, aber so ist es auf keinen Fall. Es gibt auch Fälle, in denen kein Bagger verwendet werden kann, weil das Grab mit diesem nicht erreicht wird. Ich finde es gut, dass wir diesen Bereich trotzdem kennenlernen. So weiß man, wieviel Arbeit überhaupt dahintersteckt und was die Mitarbeiter vom Friedhof leisten. Und so kann ich demnächst gegenüber den Angehörigen auch die Preise besser erläutern mit dem Wissen, wie aufwändig das Ausheben eines Grabes tatsächlich ist.
Am Donnerstag und Freitag hatten wir dann Unterricht zum Thema „Dekoration“. Nach dem theoretischen Teil sollten wir auch hier wieder selbst tätig werden. In Gruppen bekamen wir jeweils einen Fall geschildert, zu dem wir nun die passende Dekoration aufbauen sollten. Hierbei sollte auch der Beruf oder das Hobby beachtet und durch Gegenstände in der Deko aufgegriffen werden. Für den praktischen Unterricht gibt es im BAZ eine Übungskapelle, Blumengestecke, Kerzen, Särge, Urnen, Tücher und alles was für die Dekoration benötigt wird. Auch hier konnte ich einige Inspirationen sammeln, die ich bestimmt in meinem Berufsalltag noch einmal aufgreifen kann.
In der zweiten Woche ging es weiter mit praktischem Unterricht in der Werkstatt, die sich auch im Ausbildungszentrum befindet. Särge ausschlagen war zuerst dran. Hierbei muss der rohe Sarg mit Möbelfüßen, Griffen, Schrauben, Ölpapier und der Sargmatratze bestückt werden. Eine Bespannung kommt ebenfalls in den Sarg und hinterher noch das sogenannte Lotband. Das Ölpapier dient dazu die Flüssigkeiten, die beim Verwesungsprozess entstehen, aufzunehmen. Das dünne Papier reißt schnell, macht man einen kleinen Fehler beim Einlegen und fest tackern im Sarg, muss man es entfernen und von vorne beginnen. In der Prüfung muss all das in nur einer Stunde geschafft sein. Als es los ging mit Messen, Schrauben, Bohren und Hämmern wurde uns allen schnell klar, dass das kaum zu schaffen ist.
Am nächsten Tag kam ein Fernsehteam vom NDR vorbei, das eine Reportage über das Thema „Bestattungen im Wandel“ drehte. Auch ich habe einem Interview zugestimmt und wir wurden beim Sargausschlag gefilmt. Die Reportage erscheint im März. Den Link dazu gebe ich auch hier auf unserer Homepage bekannt.
Danach musste der Unterricht natürlich normal weitergehen. Löten war das nächste Thema, mit dem wir uns beschäftigt haben. Bei Überführungen ins Ausland oder bei Beisetzungen in Grabkammern muss der Verstorbene in einen Zinksarg eingebettet werden. Um diesen zu verschließen, muss gelötet werden. Auch das konnten wir üben und ausprobieren. Einfacher als gedacht!
Die letzten drei Tage hatten wir noch den theoretischen Teil zu Warenkunde. Hier ging es um die genaue Beschreibung von Särgen, Urnen, Decken, Kissen und Talaren. Dazu lernt man alles Wichtige zu den Holzarten und Materialien, aus denen Urnen hergestellt werden; außerdem, welche Arten von Stoffen für die Wäsche verarbeitet werden, die Webart und vieles mehr. Zum Fach Warenkunde gehört auch die detaillierte Beschreibung der Waren. Dies ist auch prüfungsrelevant.
Bei Särgen muss man zum Beispiel folgende Merkmale bestimmen:
• Holzart
• Oberflächenbehandlung des Holzes
• Die einzelnen Profile
• Evtl. Schnitzungen
• Griffe
Bei den Urnen ist es ähnlich, genau wie bei der Wäsche und den Beschlägen der Särge. Es muss immer das Material, die Behandlung der Oberfläche (außer bei Wäsche) und das genaue Aussehen geschildert werden. Ein sehr umfangreiches Thema.
Am Freitag hatten wir es dann geschafft und bekamen unser Zertifikat überreicht. Nachdem wir nochmal alle gemeinsam gegessen hatten, ging es nach Hause. Ein bisschen traurig waren wir schon, denn die zwei Wochen haben wirklich viel Spaß gemacht, waren sehr lehrreich und die Abende mit meinen Klassenkameraden waren super. Dennoch freuten wir uns alle auf Zuhause und das eigene Bett. Ich bin schon jetzt gespannt und freue mich auf die nächste ÜLU in Münnerstadt!